Meine letzte Woche (2)

Heute vor genau einem Jahr holten wir Dorjan zum letzten Mal vom Internat ab. Seine letzte Sprachnachricht, die ich auf meinem Telefon habe, besagt, dass wir trotz Coronamaßnahmen raufkommen sollten ins Sekretariat. Ausnahmsweise.

Man ließ uns wissen, dass er Kontakt zu einer positiv getesteten Lehrkraft gehabt habe und deswegen in Quarantäne müsse, am Montag könne er sich dann beim Gesundheitsamt testen lassen. Sie hatten ihm das aber nicht selbst sagen wollen, um ihn nicht zu verängstigen. Als wir zum Auto gingen, fragte er durchaus gutgelaunt, was denn los sei, und wir klärten ihn auf. Außerdem musste ich von unterwegs die Schutzimpfung absagen, zu der wir eigentlich direkt fahren wollten, was ihm nicht so ungelegen kam (es wäre auch wahrhaft sinnlos gewesen). Es ging statt dessen direkt nach Hause, wir schnitten den gekauften Stollen an, und er verfolgte begeistert die Skisprungqualifikation - endlich gab es wieder Skispringen!

Die Möglichkeit, infiziert zu sein, gab ihm natürlich zu denken, ansonsten wirkte er völlig unbeschwert. Wir ahnten alle nicht, dass er sein Internat nie wieder sehen würde - er würde nicht einmal das Treppenhaus mehr hinunter steigen. Dorjan hatte noch sechs Tage zu leben.

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